Ein „Appodeckher-Brief“ mit Rezept aus Tirol

Ein „Appodeckher-Brief“ mit Rezept aus Tirol

Geschrieben im April (zu Ostern) 1700

Jhr gnaden

Der hoch und wol gebohrnen Frauen Frauen

Maria Anna Von mittenhoffen, Zun

Freiden Thurn, gebohrne walthaserin Von

Pambpurg. (tittul). meiner gidigen

Frauen Frauen gefäderin zueräffnen

den 13 april 1700.                  Meran

Hoch und wol gebohrne gidige Frau Frau

                                       gefäderin.

Neben anwintschung frelicher Oßteren,

volgt daß r e c e p t, daß gerechten laxier

wassers, und bedanckhe mich und die

meinigen, umb die so vil feltige guett Thatten,

die sie unß an gethan, wöllen den lieben gott

bitten, daß er solliches erseegne Nebenst

hin mir nach gehorsambist bitten in gnaden

Zu erhalten. Anbey mir unß gehorsambist

ens Enpfelchen Schlanders den 22 April

1700

                        ganren gehorsambisten

                                   Dinner.

                        Georg Mayrreiter

                                   Appodeckher. 

Purgier Wein v frischen=                   Abführwein aus frischen

kreitern, zu Machen.                          Kräutern gemacht.

                                                           Zuerst (die Kräuter von)

Erstlichen Zigory kraut                      Wegwarte

Pimpernel .    kraut                             Pimpinelle

Erdtrauch .     kraut                            Erdrauch

Kärbl ..           kraut                            Kerbel

Melißen ..       kraut                            Melisse

Purogi ..         bleter                           Purogiblätter (?)

Englsieß ..      wurzen                        Englsüßwurzel 

Pameranzenschaller                            Pomeranzenschalen

Jedes woß man zwischen                   Von jedem so viel als man

3 finger foßen kan,                            zwischen 3 Finger fassen kann

Ein xrugil genandt.                            was man 1 Scrupel nennt.

Jtem gelbe Rebarbara                         Weiters gelben Rhabarber

6 quintl.                                              6 Quintl. 

weiße Reb: 4 quintl                            weißen Rha(barber) 4 Quintl

distolierts Zigoriwaßer                       destilliertes Zichoriewasser

12 Vnz. oder Ein guetes                    12 Unzen oder 1 guten

frögle.                                                            Schoppen.

Hernach Ein guete Maß,                    Danach mit einer guten Maß

weißen wein daran                             Weißwein übergießen

gegoßen, und also 24                                     und 24 Stunden ziehen lassen

Stundt stehen loßen, oder                  oder

übernacht auf Einen war=                 über Nacht auf der warmen

men herdtstat stehen loßen                Herdplatte stehen lassen.

dißen Wein solte man                        Diesen Wein sollte man

wenigiß 6 oder 8 tag nach                 mindestens 6 oder 8 Tage

Einander thrinckhen, zu                     nacheinander trinken.

Morgens 2 oder 3 stundt vor                         Morgens 2 oder 3 Stunden

dem mitag Eßen, und 3                     vor dem Mittagessen und 

Stundt darnach widerumben                         3 Stunden nach dem Essen

Jedes mohl Ein guetes frögle             Jeweils einen guten Schoppen

man kan auch zu morgens                  Man kann auch morgens

Ein ½ stundt zu vor Ein                     1 ½ Stunden vor der Einnahme

wenig supen nemben. und olle          ein wenig Suppe zu sich nehmen.

2 tag wider Ein frischen                    Jeden 2. Tag sollte man einen

ansezen. so lang man solchen            frischen Wein ansetzen so lange

thrinckhen will.                                  man diesen trinken möchte.

Ein Brief mit Rezeptur aus dem Jahre 1700. Ein Beleg dafür, daß 1.) auch in Südtirol die Menschen an „Verstopfung“ litten und 2.) anstatt eines Arztes ein Apotheker um Rat befragt wurde. In Meran stand sicher nicht nur ein „Medicus“ zur Verfügung und wie es scheint, hatte die hochwohlgeborene Dame zu diesen kein Vertrauen oder schlechte Erfahrungen gemacht. Es wußte also ein Gewürz- und Kräuterhändler, was ein Apotheker ursprünglich war, aus Schlanders besser Bescheid über die Wirkung der Heilmittel als ein Mediziner in Meran.

Das ist der Unterschied von Theorie und Praxis.

Eine Geschichte, passend zu meinem kürzlich erschienen Buch „Abdeckersleut` als Volksmediziner“.      

Ihre

Christine Obermeier

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