des Kreises Falkenau und Graslitz in Nordwestböhmen, 1946/1947
Am 02.08.1945 wurde im Artikel XIII des Potsdamer Abkommens u.a. festgelegt:
„… daß die deutschen Bevölkerungsteile in der CSR, in ordnungsgemäßer und humaner Weise, in die, dem Deutschen Reich verbliebenen Gebietsteile, überführt werden sollten …“
Bereits Ende 1945 wurden Vorbereitungen für die „planmäßige Vertreibung“ getroffen; durch Plakatanschläge und Zustellung der zweisprachigen (cz. und dt.) „Aufmerksammachung“ diese eingeleitet. Wie dort angekündigt, wurde den dt. Haushalten ein sog. „Einberufungsschein“, ebenfalls zweisprachig (welch ein Hohn!) zugestellt, mit folgendem Inhalt (für Graslitz):
„Sie haben sich spätestens 24 Stunden nach Erhalt des Einberufungsscheines mit Ihrer Familie in der Sammelstelle ……………………. (EMO oder STEUBING) einzufinden.
Jede Person darf ein Gepäck von Gewicht höchstens 50 kg (Decke, Kissen, nötigste Kleidungsstücke, Wäsche, Schuhe und Sachen des Tagesbedarfes) einschließlich Lebensmittel mitnehmen. Bei Abgang in die Sammelstelle hat die einberufene Person die Wohnung abzusperren, das Schlüsselloch mit dem oberen Abschnitt des Einberufungsscheines mit dem Kopf Okresni spravni komise zu überkleben, worauf Name und Adresse aufgeschrieben werden muß. Alle ordentlich zusammengebundenen Wohnungsschlüssel mit Namen und genauer Adresse versehen, werden bei der MSK – Wohnungsämtern (Personen aus Kraslice direkt in der Sammelstelle) samt Verzeichnis der in der Wohnung zurückgelassenen Sachen abgegeben.
Beim Eintritt in die Sammelstelle muß sich jede Familie mit dem auf der Rückseite bestätigten Einberufungsschein von der Bezahlung aller öffentlichen Gebühren (Steuer, Licht, Wasser, Gas u.ä.), Haushaltskarte, Lebensmittelkarte, einschließlich Holz- und Kohlenkarte u.ä., Ausweis vom Arbeitsamt vom 20.12.1945 über Arbeitsverhältnis und Personalausweis ausweisen.
Die Kleintierzüchter müssen sich mit der Bestätigung der Wirtschaftstiersammelstelle ausweisen, die sich in der Straße des Josef Mánes Nr. 258 befindet, wo diejenigen einschließlich Futtermittel zu übergeben sind.
Derjenige, der zurückgelassenes Eigentum (Möbel u.ä.) verkauft, versteckt oder auf irgendwelche Art vernichtet, genau so wie der, der solche Handlungen unterstützt, wird nach dem Dekret Nr. 38/45 Sb. bestraft.“
Nach dem Aufenthalt in der zugewiesenen Sammelstelle, nach der Gepäckkontrolle und erfolgter Freigabe desselben, wurden die verbliebenen Habseligkeiten, in bereitgestellte Güterwaggons verladen; eingepfercht zwischen Kisten, Säcken, Koffern und Rucksäcken die leidgeprüften und verzweifelten Menschen – inklusive Kinder und Greise.
Nur hochqualifizierte Fachkräfte und für die Tschechen unentbehrliche Spezialisten „durften“, um nicht zu sagen „mußten“, bleiben. Sie konnten die Tschechoslowakei als „Spätaussiedler“ verlassen, insofern sie nicht zwischenzeitlich verstarben, wovon zahlreiche Grabsteine heute noch Zeugnis ablegen!
Fast alle „vertriebenen Deutschböhmen“ glaubten an einen Irrtum der Politik und rechneten anfänglich fest mit einer Rückkehr „in die alte Heimat“; wie auch meine Großeltern.
Deren Vorfahren, welche einst im 13. Jahrhundert, die vielen Orte gegründet haben – nicht mit dem Schwert – sie kamen damals mit dem Pflug, rodeten und bebauten den Boden – sie kultivierten und liebten das Land, genauso wie ihre vertriebenen Nachkommen!
Heute, im 21. Jahrhundert, wird dieser Part der Geschichte mit „odsun“ (dt. Umsiedlung der Deutschen) bezeichnet – ich empfinde diesen Ausdruck als „geschönt“ – die Bezeichnung „vyhnáni koho z domu“ (dt. Vertreibung von Haus und Hof) wäre angebrachter.
Ich, geboren 1952 in Bayern, kann die Trauer um eine verlorene Heimat zwar nachvollziehen, kenne aber persönlich diese nicht; so – wie die tschechische Bevölkerung meiner Generation keine Schuld empfinden können und müssen. Wir haben das Glück der „späten Geburt“!
Die digitalisierte Vertriebenen-Transportliste, Kreis Falkenau und Graslitz in Nordwestböhmen durfte ich in meiner Homepage www.chobgen.de unter: Transportliste mit freundlicher Genehmigung des Vorsitzenden des Sudetendeutschen Archiv e.V., München, Hochstraße 8, Herrn Ministerialdirigent a.D. Reinhold Erlbeck, veröffentlichen.
Ihre
Christine Obermeier